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Martin Rütter gilt als der Typ von nebenan für die Menschen


Mit vier Wauwaus auf der Couch: Hundeprofi Martin Rütter. Foto: Klaus Grittner

Interview: Michael Juchmes

Der beste Freund des Menschen ist derzeit in aller Munde: Von Expertenshows im Fernsehen über Zeitschriften für Halterinnen und Halter bis hin zu Influencern, die auf vier statt zwei Beinen durchs Leben gehen – die Welt ist mal wieder auf den Hund gekommen … und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Name fällt in diesem Zusammenhang immer wieder: Martin Rütter. Der 52-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Menschen und seinem tierischen Begleiter zu einem besseren Zusammenleben zu verhelfen. In seiner neuen Show „Der will nur spielen!“, mit der er an diesem Samstag (21. Januar) in der Trierer Arena gastiert, geht er noch einmal den wichtigsten Themen der vergangenen 25 Jahre auf den Grund.

Martin Rütter, ich nutze unser Gespräch zur Klärung einer Frage, die mich persönlich beschäftigt: Ich bin täglich zehn bis zwölf Stunden unterwegs und verreise häufig. Sollte ich mir trotzdem einen Hund anschaffen?

Unter gar keinen Umständen! Da steht auf meiner Seite ein dickes, großes Nein … es sei denn, Sie können den Hund mit ins Büro nehmen. Wenn er aber sieben, acht Stunden alleine bleiben muss, dann kann man das getrost als Quälerei bezeichnen. In solchen Fällen denken viele: „Ach, dann schaff ich mir noch nen zweiten an.“ Das Problem dabei: Dann sind beide Hunde alleine. Ein Hund geht eine extrem enge Verbindung zu uns Menschen ein, wir sind für ihn so wichtig wie Artgenossen.

Ich wohne mitten in der Stadt, in einer Wohnung im zweiten Stock. Das ist sicherlich auch nicht die beste Umgebung für einen Vierbeiner, oder?

An dieser Stelle muss ich mit einem Missverständnis aufräumen, das ich immer wieder höre – auch vonseiten des Tierschutzes: Dass ein Hund ein großes Haus oder einen riesigen Garten braucht, ist völliger Blödsinn. Der Einzige, der das will, ist der Mensch, denn für ihn ist es bequem: Gartentür auf, Hund rennt rein, fertig! Als Student habe ich mit einem Freund und zwei Hunden auf 16 Quadratmetern gelebt. Für die Tiere war das die beste Zeit ihres Lebens, denn wir waren ständig mit ihnen unterwegs. Und wenn wir doch mal zu Hause waren, na was macht ein Hund dann? Dann kommt er zur Ruhe. Natürlich, wenn ein Hund zuvor zehn Jahre auf einem Bauernhof verbracht hat, dann hat er keine Lust darauf, in einer Wohnung zu leben. Wenn er aber nichts anderes kennt, dann ist das für ihn vollkommen in Ordnung.

Stellen wir uns abschließend vor, dass die Gegebenheiten optimal wären: Dann wäre ein Shiba Inu meine erste Wahl. Was sagen Sie dazu?

Grundsätzlich kann man mit jeder Rasse total viel Spaß haben … oder auch ins Klo greifen. Bei der von Ihnen vorgeschlagenen Rasse stehen mir zumindest nicht direkt die Haare zu Berge. Aber als Hundeprofi müsste ich zuerst einmal fragen: „Wäre der Weg ins Tierheim nichts für Sie?“ (lacht) Ich erlebe immer wieder, dass Anfänger sich nicht in ein Tierheim trauen, weil sie denken, dass die Hunde dort alle 'ne Schraube locker hätten. Ich sehe das aber anders: Natürlich gibt es dort auch problematische Hunde, aber auch sehr viele unglaublich nette und unkomplizierte.

Die Leserinnen und Leser möchten sicherlich wissen, welche Hunde bei Ihnen zu Hause ihr Unwesen treiben …

Die Leute glauben, dass ich 'nen ganzen Stall voll habe und dass die Hunde mich zu sechst morgens wecken, mir ein Croissant ans Bett bringen und dann noch zwei von ihnen im Garten durch einen brennenden Reifen springen. Aber tatsächlich habe ich nur einen Hund: Emma, eine Mischlingshündin aus Australien Shepherd und Terrier, die mir, als sie ein Jahr alt war, vor die Füße geplumpst ist. Meine kleine Tochter hat außerdem noch einen Bichon Frisé: Luna, sie ist mittlerweile vier Jahre alt. Es leben nur diese zwei Tiere bei uns, denn a) hätte ich keine Zeit für weitere und b) muss man sich darüber bewusst sein, dass ich bis zu 150 Mal im Jahr in Hotels schlafe. Mit zwei Hunden klappt das problemlos, bei fünf Stück sähe das anders aus.

Mich haben schon Leute darum gebeten, bei der Geburt ihrer Kinder dabei zu sein. Wohlgemerkt: Wir sprechen von Menschen, denen ich noch nie begegnet bin.

Ich gehe davon aus, dass Emma und Luna ein Herz und eine Seele sind … oder etwa nicht?

Um ehrlich zu sein, haben sich die Hunde anfangs gar nicht vertragen. Meine Hündin Emma, die zehn Jahre alt ist, stammt aus wirklich schlimmen Verhältnissen. Sie wurde bereits als Welpe 15 Stunden oder gar ganze Tage alleine gelassen. Sie war äußerst schlecht sozialisiert und hatte – und hat immer noch – große Skepsis, was andere Hunde angeht. Als Luna zu uns kam, war sie noch ganz klein, so groß wie ein Meerschweinchen. Emma konnte die Situation nicht einschätzen und hat mich immer angeguckt, nach dem Motto: „Ich darf es nicht schütteln, es ist kein Spielzeug. Aber was machen wir jetzt damit?“ Es hat einige Zeit gedauert, bis die beiden zueinandergefunden haben. Ich will das heutige Verhältnis der beiden nicht als glühende Liebe bezeichnen, aber sie hassen sich auch nicht. Emma ist halt eher eine Einzelgängerin.

Ihr Leben dreht sich seit Jahrzehnten um das Thema Hunde, davon handelt auch die Show „Der will nur spielen!“, mit der Sie jetzt in Trier gastieren. Hätten Sie sich vor Jahrzehnten einmal träumen lassen, dass genau das Ihre Berufung sein wird? Ein Leben, bei dem sich fast alles um Vierbeiner dreht – und das auch noch im Fokus der Öffentlichkeit?

Um ehrlich zu sein: ja. Ich habe schon immer gespürt, dass das Thema ein großes Potenzial hat, weil es spannend und auch emotional besetzt ist: Das, was ich mit den Hunden mache, ist keine Dressur, sondern Erziehung. Und zur Erziehung gehört auch immer eine Beziehung. In diesem Zusammenhang spreche ich häufig über das Thema Partnerschaft, über den Umgang miteinander.

Zur Person

Martin Rütter wurde am 22. Juni 1970 in Duisburg geboren. Er studierte zunächst Sportwissenschaften, absolvierte anschließend einen Lehrgang zum Tierpsychologen und Praktika in Wolfsaufzuchtstationen. Der Tiertrainer, der 1995 seine erste Hundeschule eröffnete, vermittelt eine von ihm entwickelte „eigene Philosophie“ zur Hundeerziehung, genannt „Dog Orientated Guiding System“ (DOGS), die sich einem gewaltfreien Training verschrieben hat. Mittlerweile ist daraus ein Netzwerk aus 130 Einrichtungen – darunter auch eine in Luxemburg – entstanden, in denen rund 320 Coaches nicht nur die Vierbeiner, sondern auch die Halterinnen und Halter schulen. Darüber hinaus ist Rütter seit Jahren als Experte im Fernsehen aktiv. Derzeit tourt er mit seinem fünften Bühnenprogramm „Der will nur spielen!“ durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der fünffache Vater lebt in der Nähe von Köln.

Und das ist das, was das Publikum anspricht?

Ja, denn vieles von dem, was ich anspreche, kann man auch auf den Menschen übertragen. Wie geht man miteinander um, wie kommuniziert man miteinander? Ausschlaggebend für meinen Erfolg ist wohl auch, dass mich die Leute, auch jetzt noch, als den Typen von nebenan wahrnehmen. Die spüren, dass ich keine Allüren habe, dass meine Erzählungen authentisch sind, dass ich einer von ihnen bin. Die Menschen schätzen es, dass ich nicht als Oberlehrer auftrete.

Hat sich das Verhältnis von Mensch und Tier in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt? Oder warum ist das Thema gerade in der heutigen Zeit dermaßen omnipräsent?

Vor mir liegt eine Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ aus dem Jahr 1976. Der Titel der Coverstory lautet: „Der Deutsche und sein Hund“. Ich habe den mehrseitigen Bericht gelesen und die Themen, die darin behandelt werden, sind eins zu eins das, worüber wir gerade sprechen. Natürlich: Früher hat man Hunde auch nach ihrer Funktionalität eingeteilt. Es gab den Hund, der den Jäger begleitet, einen für den Schäfer und einen, der aufs Haus aufpasst. Das ist natürlich heute anders – die wenigsten Hunde sind noch Gebrauchshunde. Die Menschen sind derzeit aber immer häufiger bereit, sich mit den Tieren auseinanderzusetzen. Und – da sind wir ein wenig stolz drauf – wir haben ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass Gewalt beim Hundetraining überflüssig ist.

Trifft man in den Hundeschulen auf andere Halter als früher?

Als ich angefangen habe, vor 25 Jahren, war kein Hund im Training, der weniger als 20 oder 30 Kilo wog. Mit kleinen Tieren ging man damals nicht zur Hundeschule, höchstens zum Dackelclub, um dort ein Bier zu trinken. Heute haben die Leute ein Bewusstsein für die Bedürfnisse ihres Hundes. Wenn ich jetzt in einen Stadtpark gehe, sehe ich Menschen, die einen Hund am Brustgeschirr mit sich führen, die eine Schleppleine, Futter oder eine Pfeife dabeihaben. Die Menschen trainieren ihren Vierbeiner auch in der Freizeit. Sie haben verstanden, dass ein Hund mehr braucht als eine Gassirunde.

Wenn wir schon zurückblicken: Was sind die seltsamsten Fälle, mit denen Sie konfrontiert wurden?

Die skurrilsten Dinge, die mir passieren, sind eher im Zusammenhang mit mir als öffentliche Person zu sehen. Es ist spannend, wie manche Leute mit mir umgehen, mich teilweise sogar glorifizieren – das hat nichts mehr mit der Privatperson Martin Rütter zu tun. Mich haben schon Leute darum gebeten, bei der Geburt ihrer Kinder dabei zu sein, andere haben mich gefragt, ob ich als Trauzeuge bei ihrer Hochzeit dabei sein will. Wohlgemerkt: Wir sprechen von Menschen, denen ich noch nie begegnet bin.

Und wie sieht es mit tierischen Erlebnissen aus?

Mich haben einmal ein paar junge Leute gebeten, einen Hausbesuch bei ihren Großeltern zu machen. Das war ein Paar, beide über 90, die hatten einen winzigen Toypudel. Sie haben sich wahnsinnig gefreut mich zu sehen, sie hatten sogar einen Kuchen gebacken. Dann haben wir uns an den Tisch gesetzt und ein bisschen geplaudert. Plötzlich nahm der Hund Anlauf, sprang erst auf den Stuhl, dann auf den Tisch und hat dann wie selbstverständlich den Kuchen gemampft. Ich habe das Ganze unkommentiert gelassen, bis die alte Dame sagte: „Ich weiß, warum sie hier sind. Unsere Enkel nervt das.“ Sie erzählten mir, dass sie sich durch den Hund nicht gestört fühlen. Sie fänden die Situation ganz süß und außerdem würde er ja niemanden angreifen. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass sie den Hund nicht mehr vom Kuchen fressen lassen, weil das schädlich für ihn ist. Sie sollten ihm ein wenig Hundefutter im Napf auf den Tisch stellen, dann könne er immer noch mit ihnen essen. Da ist grundsätzlich mein Ansatz: Die Menschen sollen glücklich mit ihren Hunden sein … und andersrum. Solange der Hund nicht aggressiv, ängstlich oder gestresst ist, habe ich nicht das Recht den Leuten vorzuschreiben, wie sie mit ihm umgehen sollen.

Und wie haben die Enkel reagiert?

Die haben mich angerufen und wollten ihr Geld zurück. (lacht) Das, was ich den alten Leuten geraten hatte, empfanden sie als eine Unverschämtheit.

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Man kann sich genau vorstellen, wie Sie in der Situation reagiert haben. Sie wirken äußerst besonnen, sind aber andererseits auch ein großer Entertainer. Wäre daher das Showbusiness nicht eine Alternative zum Dasein als Hundeprofi? Sie hatten sogar mal eine eigene Quizshow im Fernsehen, nicht wahr?

Ja, „Die Rote Kugel“. Die hat leider nicht funktioniert, sonst hätte ich das fortgesetzt, weil ich großen Spaß daran hatte. Wenn mir jemand ein Megakonzept anbieten würde, wäre ich sofort dabei. Das Hundethema würde ich aber trotzdem niemals aufgeben, das ist meine große Leidenschaft. Die Deutschen tun sich halt immer schwer damit, wenn jemand zweigleisig fährt. In den USA ist es vollkommen okay, ein guter Schauspieler und gleichzeitig ein guter Sänger zu sein. Die Moderatorin Barbara Schöneberger war mal als Sängerin auf Tour und hat ihr Programm „Jetzt singt sie auch noch!“ genannt. Genau so denken die Deutschen.

Zum Abschluss noch eine organisatorische Frage: Sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Hunde mit zur Show bringen?

(lacht) Als wir angefangen haben, die großen Hallen für die Shows zu buchen, kam sofort die Rückfrage: „Bringen die etwa alle ihre Hunde mit?“ Stellen Sie sich das mal vor! In der Lanxess Arena in Köln, 10.000 Zuschauer … und jeder bringt einen Hund mit. Ich habe ja noch nicht einmal einen Hund auf der Bühne. Ein Tier mitzubringen, das geht alleine aus sicherheitstechnischen Gründen nicht. Die Ausnahme sind natürlich Blindenführhunde, Assistenzhunde oder aber kleinere Open-Air-Shows im Sommer, für 3.000, 4.000 Leute – dann ist das Gelände meist groß und dann ist auch Platz für die Hunde. Erfahrungsgemäß nutzen rund zehn Prozent das Angebot. Die Anderen denken: „Lieber nicht, sonst macht er noch ein Späßchen über meinen Hund.“ (lacht)

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Author: Erik Johnson

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